Heute is so ein Tag, an dem eigentlich nich recht viel passiert ist. Und trotzdem würde ich euch am liebsten 100 kleine Dinge berichten! Mach ich natürlich nich. Aber es sind eben die kleinen Dinge (z.B. gefundene Pfade), kleinen Momente (z.B. mein Opa am Telefon) und kleinen Begegnungen, die immer wieder Laune machen. Dachte ich im einen Moment noch, gut, heute Nacht ist Zelten an einer Schutzhütte angesagt, war ich im nächsten Moment auch schon wieder von Zeltträumen weit entfernt und lief hinter Theo her zu einem anderen Übernachtungsquartier…
Vom Charme her ist der Bauwagen von gestern Nacht natürlich nicht zu toppen – ausgeruht trink ich mit Gerhard vom Kuchenschlösschen noch einen Kaffee und erfahr lauter spannende Details von ihm. Das ist eine der kleinen Geschichten, die hier aber dann doch schon rein gehören: Mit 14 lernte er Konditor, unten in Kirchen, und sah immer zu dem Gebäude (das ein kleines rundes Türmchen hat) des heutigen Kuchenschlösschens hoch und träumte davon, dort irgendwann mal ein eigenes Café zu haben. Mit 14 träumte er davon, heute betreibt er es seit 30 Jahren! Dazwischen hat Gerhard den Konditormeister gemacht, war Küchenchef in einer Art Jugendhaus und hat alleine mit zig Tieren auf einem Hof im Wald gelebt. Bis das Haus zu verkaufen war. Dann drei Jahre lang gehandelt, dann zugeschlagen und dann seinen Traum realisiert. Und das mit so viel Liebe zum Detail! Ich bin immer noch ganz hin und weg wie ihr merkt, deswegen hör ich schnell auf – einfach selbst hinfahren! *grins*
Vom Schlösschen aus muss ich erstmal weiter den Berg hoch, einen Kilometer über Bürgersteige steil hinauf in den Wald und dann weiter auf dem Druidensteig. Auch hier, bis auf eine ebene Wiese (hier hätte ich gestern zelten können, hätte…) und ein Stück hinab, ging es nur bergauf – schöner Frühsport, das gute Essen von gestern erstmal abtrainieren. 🙂 Der Kreuzweg mit Monumenten zum Leidensweg Christi bringt mich schließlich zum Druidenstein, der nördlichste Ausläufer des basaltischen Westerwalds (4,6 km, auf 431 m Höhe).
Nach Brot und Käse und längeren Krauleinheiten für eine Hunde-Omi, mach ich mich weiter, es ist doch recht frisch, um lange Pausen zu machen. Der Druidensteig bzw. Europäische Fernwanderweg E1, dem ich folge und der sich dem bestehenden Wegenetz bedient, ist wirklich sehr schön in dieser Grenzgegend zwischen NRW und Rheinland Pfalz. Und super gekennzeichnet! Wenn ich da an den E3 im letzten Jahr denke, mei, das war was, Kraut und Rüben. Aber hier erreiche ich nach wunderschönen Waldpfaden, die immer wieder auch mal Blicke über die Baumkuppen hinweg erlauben, ohne ein einziges Mal auf die Karte schauen zu müssen nach etwa 12 Kilometern problemlos Herdorf. Da ich unterwegs den zuständigen Wanderwegewart bei der Instandhaltung der Wege treffe, kann ich dem sogar persönlich danken.
Wie so üblich geh ich erstmal Kaffee trinken (never change a running system…), is wirklich auch frisch draußen. Da ich dafür ein bissi vom Weg abweichen musste, muss ich mir den günstigsten Weg zum E1 zurück suchen – ja doch, ich bin ein wenig stolz, dass es diesmal ohne einen einzigen Umweg gelingt. Das wäre hier auch richtig fies gewesen: Es geht heute den ersten richtigen Berg, zumindest bewusst, hinauf! Um auf den 495 m hohen Hohenseelbachskopf zu kommen, geht es also erstmal nur hoch. Die ersten eineinhalb Kilometer laufe ich steil auf dem Bürgersteig aus Herdorf raus – so langsam, dass ich Angst habe, hinten umzufallen! Aber der Brummi im 1. Gang ist auch nicht schneller, tröste ich mich.
Im Wald mach ich auf der ersten Bank erstmal Pause, durchschnaufen, Jacke ausziehen – und Oma anrufen, die ist heute 91 geworden! Bei der Gelegenheit schwatz ich auch noch kurz mit Opa, der wissen will, wo ich ungefähr bin. Ich erzähl, dass ich gestern die Sieg gequert habe, und wo in etwa. Da sagt Opa: „Ich glaube, wir sind damals weiter östlich drüber, ja weiter östlich.“ Herrlich, dass ihm das jetzt einfällt 🙂 Zum Abschied gibt er mir den Wandergruß „Frisch auf!“ mit auf den Weg – finde ich herrlich und nehme die nächsten Höhenmeter in Angriff. Keinen Kilometer weiter finde ich schon mal den Druidensteig, nur um ihn 500 Meter weiter wieder zu verlassen: Der führt wieder bergab, wozu bin ich denn über die Hälfte schon hoch?! Denk ich mir, wähle also einen andren Weg (ohne Zeichen…) – hätte auch wieder schief gehen können.
Ist es aber nicht 🙂 Ok, es war jetzt kein offizieller super Weg, aber er war kurz und effektiv und schön verwinkelt sag ich mal. Vorbei an der Luftüberwachung Rheinland Pfalz wähle ich einen kleinen Pfad durchs Dickicht. Der ist später zwar nur noch zu erahnen, aber ich seh den befestigen Weg schon 150 Meter vor mir und alles ist in Butter. Das ist dann auch wieder der E1, der mich hoch auf den Berg bringt (ca. 16,5 km gelaufen). Da oben ist es jetzt fei nicht spannend, ich folge dem E1 über den Höhenweg gaaanz entspannt wie der Name schon sagt auf der Höhe entlang.
Nachdem es eine Weile so eben dahin geplätschert ist (und das mein ich positiv), geht es bergab. Und wieder bergauf – es war noch nich die letzte Höhe heute. Aber erst treff ich auf den Förster, der mir eine Schutzhütte hinter dem Ort Lippe empfiehlt. Hört sich so schlecht nicht an, die dicken grauen Wolken scheinen auch nur zu drohen, nicht zu regnen. Blöd ist nur: Die Gaststätte auf dem Hohenseelsbachkopf hatte zu, ich hab nicht mehr viel Wasser.
Daher frag ich meine nächste Bekanntschaft, den ich an den Trödelsteinen treffe, ob es in Lippe etwas gebe, wo ich mein Wasser auffüllen könnte. Der Ortskenner sagt, ich soll mich zu seiner Cousine in der Ortsmitte durchfragen, da würde ich bestimmt Wasser kriegen. Und auch ein Bett. Aber, wenn ich wollen würde, könnte ich auch einfach mit nach Burbach zu ihm und seiner Frau kommen, da gebe es Wasser, Essen und auch ein Bett… Das ist dir kurze Variante des Aufeinandertreffens 🙂 Unverhoffte Angebote sollte man nicht in den Wind schlagen, auch wenn sie kleine Umwege beinhalten – also, zack laufe ich meinem Gastgeber Theo den Trödelsteinpfad hinterher. Oder hechte: Meine Güte ist der bald 75 Jährige schnell!
Ich bin beeindruckt, wenn auch ein wenig kaputt (weil dann auch schon bald wieder 30 km gelaufen), aber der Pfad ist wunderbar, richtig schön klein und verwunden. Toll! Einige Kilometer weiter gen Tal sind wir am Haus angekommen. Anni heißt mich auch herzlich Willkommen, wir richten mein Zimmer, essen Brotzeit und reden noch über dies und das, bis es zu spät für jenes wird und wir einander Gute Nacht wünschen…
Wieder zeigt sich, wie hilfsbereit die Menschen sind. Ein kleines Wort reicht.
Vielleicht auch ein kleiner Betrag? Schöne Überleitung zu meiner Spendenaktion „Ich wander, ich blogge, du spendest“ für den Aufbau von zwei Krankenstationen in nepalesischen Bergdörfern, die es beim Erdbeben letztes Jahr schwer getroffen hat – meine Opa und Oma haben sich genau wie meine Tante zu den Unterstützern gesellt, ebenfalls Kerstin und Achim, enge Freunde und treue Fans meines Wanderblogs. Vielen Dank euch allen!
Gelaufen: 28,1 km
Motto des Tages: Wer sich helfen lässt, dem wird geholfen