Sonntag, 6. August, 2. Tag: Und am Ende geht Hanna baden

Ineinem super klaren, lauwarmen Wasser direkt vor ihrem Zelt, das (fast) allein auf einer Liegewiese irgendwo am Kalksee steht. Et läuft, würden die Berliner sagen, et läuft 🙂 Nach dem guten Tagesanfang hätte ich mir das aber auch eigentlich denken können, auch wenn tagsüber manch trüber Gedanke aufkam.

Mein ursprünglicher Plan, früh am Morgen aufzubrechen, um den Temperaturen zu umgehen, habe ich früh angefangen und genau so früh wieder aufgegeben. Ich kam nach dem frühen Weckerklingeln einfach nicht in Trab, also lies ich dem Schicksal halt seinen Lauf und gemütlisierte mein Packprogramm und spartanisches Frühstück. Das sollte wohl auch so sein, denn als ich schließlich gegen halb zehn Richtung Platzwart lief, saßen die drei von grade vor ihrem Wohnwagen. Nuwella, wie ich später erfuhr, fragte sofort ob ich schon gefrühstückt hatte. Ich sagte ja, dankte und ging weiter. Ich wollte ja endlich los… Und kehrte wieder um: „Gegessen habe ich zwar, aber hättest du Kaffee oder einen schwarzen Tee für mich?“ Zack saß ich bei der Kenianerin und ihren zwei rastlosen Zwillingjungs Egon und Eugene bei nem richtig guten starken Schwarztee. 🙂

Wir unterhielten fast eineinhalb Stunden, über Reisen und Kinder, den Wald und die Uferlandschaft, das Alleinsein und die Menschen, die man sofort mag. Nuwella sagte als zweiten Satz zu mir, nachdem ich erzählte,  dass ich an diesem Morgen einfach keinen Drang hatte, früh aufzubrechen obwohl das der Plan gewesen war: „Das habe ich auch manchmal, so ein Gefühl, das mich zurück hält, so ein Flow sich einfach treiben lassen und in dem Moment weiß ich gar nicht warum. Und dann drei Stunden später passiert irgendwas und zack, ah ja, denk ich, deshalb warst du vorhin so.“ Und da hatte ich noch nicht eine Silbe von meinen Wanderungen erzählt und wie oft schon genau das vorgekommen ist. Und wie dankbar ich für jede so entstandene Begegnung bin.

Dankbar muss ich mich leider auch von ihr und den beiden zweieinhalb jährigen Jungs verabschieden, ich hätte den ganzen Tag dort mit ihnen sitzen bleiben können. Nuwella gibt mir einen Schokohaferriegel mit und die Worte „We will see us again“ – manchen Leuten kann man das sogar glauben, ein schöner Gedanke.

Vom Campingplatz geht Gott sei Dank ein wunderschöner kleiner Trampelpfad direkt am Ufer zurück nach Müggelheim (gestern bin ich den Straßenweg gelaufen), fast wäre ich auch hier bei einer Gruppe Berlinern hängen geblieben. 😉 Doch ich musste ja mal voran kommen. Bin ich auch,  nach 2,5 km war ich wieder in der Altstadt und fand auf Anhieb den richtigen Weg zum Kleinen Müggelsee. Allerdings musste ich dafür mehrere Kilometer an einer schnurstracks geradeaus führenden Straße folgen. Auch die darauf folgende Strecke, auch als Wanderweg deklariert, war eigentlich eine Straße/ein gut ausgebauter Radweg, der durch den Wald führte. Da ich mich bei der Tourenplanung seelisch und moralisch aber schon auf Flachland und viel Asphalt (im Umkreis Berlins) vorbereitet hatte, war das für mich okayer als für die restlichen Straßenverkehrsteilnehmer. Zumindest mussten Radler und Autos bei mir stärker abbremsen, wenn Gegenverkehr kam. Aber mein wirklicher Endgegner, nicht erst in diesem Wald, waren die Mücken – alter,  ich hasse sie, jede einzelne,  boah so einen Brass!!! ! Meine Beine sehen schon aus wie Streuselkuchen, nervt.

Nichts zu machen, stoppen, Anti-Zeug sprayen, weiter laufen. Nach zehn Kilometern bin ich wieder zwischen kleinen Siedlungen an Seen und Kanälen unterwegs. Gerade diese kleinen Kanäle machen die Gegend zu einem ganz zauberhaft niedlichen Stück Erde und den ganzen Tag fühle ich mich an eine Kanutour durch den Spreewald erinnert. Das lenkt auch von der Rad- vs Wanderweg-Situation und den Temperaturen ab,obwohl die Wolken das auf einem sehr angenehmen Niveau halten. Und nach diesem April-Sommer werde ich mich eh nicht über „zu heiß“ beschweren.

Nach 12 km gönn ich mir eine Mittagspause am Dämeritzsee mit kurzem Augen zu-Sonnenbaden (Wasser hat so eine entspannende Wirkung), und treffe anschließend wieder ein älteres Paar wieder, die mich eine Stunde vorher nach dem Weg gefragt haben.  Mich. Na gut, jedenfalls verquatschen wir uns von Norwegen über Finnland bis zu den Mücken in Afrika – sehr nette Menschen, die beiden – und so begehe ich abgelenkt quasi auch einen kleinen Navigationsfehler…Der mich am Ende zwar vielleicht ein oder zwei Kilometer laufen lässt, dafür aber auch wunderschöne. Na gut,  ehrlich gesagt, der eine schön, der andere nich 😉

Nach erneut mühsamen Asphalt-Kilometern, komme ich am Ende von Erkner zum Beginn einer langen Freundschaft: Von mir und den Uferwegen! Das macht einfach Laune: Direkt am Wasser oder auch mal etwas oberhalb oder 10-15 m entfernt schlängelt sich der 66-Seen-Weg (recht gut ausgeschildert, an manchen Stellen bedürftig…) am Flakensee entlang. Ziel ist ein Campingplatz am Kalksee, einer weiter nördlich.

Auch dort lauf ich auf dem Seenweg in wunderbar weichem Nachmittagslicht am Ufer entlang – es geht sogar etwas hoch, etwas runter,  Wurzeln und Holztreppen erhöhen den Wanderspaß zusätzlich. Ich fliege quasi dahin! Na gut, das ist gelogen, ich bin wieder an der 20 km Marke und schlapp. Und der Campingplatz taucht und taucht nicht auf… Ich überlege schon, einfach ein Platz am See zu okkupieren – das scheint hier nicht so tragisch zu sein. Freie Badeplätze gibt es überall, Rastplätze und Angler auch. Da treff ich auf einen älteren Herr mit seinem riesigen Teddy-Hund, der mir nach kurzem Gespräch währenddessen wir nebeneinander her laufen sein freies Grundstück auf der anderen Seite des Kalksees anbietet. Na da sag ich doch nicht Nein 🙂

Also an der nächsten Brücke die Seite gewechselt und 700 m zurück gelaufen. An einem Restaurant darf ich nochmal Toilette benutzen und Wasser nachfüllen, und schon steh ich ratlos vor dem mutmaßlichen Grundstück. Der nette Herr sagte ja, er benutzt es seit langem nicht mehr, doch das. Das ist weder betretbar, noch benutzbar – allein der Weg am Zaun entlang zu einer angekündigten Eingangsstelle, der ist so zugewuchert. Nichts zu machen. Doch Hilfe ist schnell gefunden: Eine Dame am Seniorenheim nebenan weist mir den Weg zu einer Liegewiese ca. 100 m weiter. Perfekt! Dort hat ein Angler schon sein Zelt aufgeschlagen, ein paar Leute baden noch.

Platz am Kalksee

Als diese kurze Zeit darauf das Ufer verlassen, stelle ich mein Zelt schon mal provisorisch in 40-50 m Entfernung zum Angler auf und springe dann so schnell es geht in den See! Das Wasser tut so saugut! Vor allem den Füßen, die schon ein paar Blessuren davon getragen haben. Ich schwatze noch kurz mit einer Schwimmerin aus der Gegend, die ganz begeistert ist, dass ich hier alleine pennen mag und durch die Gegend laufe. Das tut am Ende eines Wandertages schon gut… Der Schweiß ist abgewaschen, ein paar Kleider gewaschen und aufgehängt, der ruhige Teil des Abends beginnt. Ok, eine Stunde lang muss ich die Ruhe noch an drei angelnde Kinder abgeben, das Licht der untergehenden Sonne auf dem Kalksee ist trotzdem wunderschön.

Der krönende Abschluss des Tages – was so gut beginnt, sollte auch so gut enden – ist aber der (fast?) Vollmond,  der sich im See spiegelt. Und den ich liegend aus meinem offenen Zelt anschauen kann, bis ich einschlafe.

Gelaufene Kilometer: ca. 23 km

Motto des Tages: Am Ende des Ufers ist immer ein Plätzchen frei.

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