Sag ich zu einem Mann, der mich in Morsbach fragt, seit wann ich unterwegs bin. Er (lächelnd):“ Sonntag. Na dann muss die Entspannung ja schon eingesetzt haben, wenn Sie nicht mehr wissen, welcher Tag heute ist.“ Jap, dem ist wohl so! 🙂 Von den beiden Ü30-(Kilometer)Tagen merke ich nichts mehr, der kurze Lauf gestern hat gewirkt, es kann weitergehen.
Aber erst spät, ich lasse die Regenschauer durch und starte erst um halb elf. Drei Schichten an, die Regenjacke griffbereit, Mütze und Halstuch auch. Doch es wird – ich bin schon ein echtes Glückskind was das Wetter angeht – weit weniger schlimm als befürchtet. Ich habe nur wenige kurze Nieselattacken, gut, den Rucksack lass ich unter der Regenhülle eingepackt, und einen ganz kurzen Hagelanfall. Ansonsten bedeckter Himmel, der aber immer wieder aufreißt – so viel Sonnenschein hat ich nich erwartet, muss bald schon ne Schicht ausziehen. Der Wind ist halt stark, aber hey, ich bin stärker 😉
Auf den ersten 1,5 km raus aus dem Ort entdecke ich ein Straßenschild, dass Lina Friedrich stellvertretend für alle in Nürmbrecht gewidmet ist, die unter der Schreckensherrschaft von 1933-1945 Nachbarschaftshilfe geleistet haben. Ich finde es einen schönen Gedanken, dass mein Opa im April 1945 hier vielleicht auch durchgekommen ist und Hilfe erfahren hat.
Heute bin ich gut drauf und finde den X11 sofort und verliere ihn auch fast gar nicht auf den 8,7 Kilometern bis Waldbrühl Ortsmitte (auf dem Panoramasteig hätte ich übrigens 24 von Nürmbrecht bis hierher gebraucht…). Dass ich zwischenzeitlich mal auf einem anderen Wanderweg laufe, macht diesmal nichts: Heute klappt die Navigation per Karte und die 150, 250, 550 (was auch immer) Meter mehr, pah, da lach ich doch nur!
Dass der Lenne-Sieg-Weg so viel kürzer ist als der Steig ist natürlich schon auch dem geschuldet, dass er zum Teil auf den Straßen zwischen den Ortschaften verläuft. Es hätte für meinen Geschmack weniger Asphalt sein können (vor allem geht es nicht nur einmal 1,5 bis 2 Kilometer am Stück bergauf bzw. am Stück bergab auf Straße), aber so komme ich schnell voran und zwischendurch gibt es auch auf dem X11 schöne Wald- und Wiesenpassagen.
So komme ich trocken und tatsächlich ziemlich entspannt in Morsbach an. Da es hier in der näheren Laufumgebung keinen Campingplatz gibt und ich bei dem trotz allem bedrohlich aussehendem Himmel nicht zwingend Wildcampen muss, steuer ich die Jugendherberge hier an (warum liegen die Dinger eigentlich IMMER ganz oben auf einem steilen Berg?!). Wieder habe ich Glück: Eine Familie hat abgesagt, nur deshalb kriege ich noch ein Zimmer in der sonst mit Kindern vollbelegten Herberge.
Damit bleibt mir der Rest des Tages, um online endlich mal Klarschiff zu machen (z.B. meine Spendenseite für Nepal mit tollen Neuigkeiten aus Tsum: https://www.betterplace.org/de/projects/42904-zwei-krankenstationen-in-nepal-mit-leben-fullen/news/136492) und meine stark salzverkrustete Wanderhose zu waschen. Innerlich hoffe ich aber, morgen wieder ein nettes Plätzchen für mein Zelt zu finden 🙂
Gelaufen: 21,7 km
Motto des Tages: „Die grössten Ereignisse sind nicht unsere lautesten, sondern unsere stillsten Stunden“ (Nietzsche, Spruch auf dem Etappenstein in Nümbrecht)

So seh ich übrigens bepackt aus – und mit bestem Wetterschutz ausgerüstet, auch wenn ich den kaum gebraucht hab heute 🙂