Ja ich gebe es zu, ich bin mit mulmigen Gefühl im Zug nach Solingen gesessen. Ich war aufgeregt, klar, aber auch irgendwie angespannt – trotz aller guten Erfahrungen der letzten Male, wird es dieses Mal auch wieder alles gut gehen? Ist die Aktion mit den Spendensammeln vielleicht eins zu viel? Werd ich mich über mich selbst ärgern, über Umwege, über Schmerzen, übers Wetter, oder gar in ständiger Sorge darüber laufen, wo ich abends schlafen werde? Ich sag mal – vergesse Kummer und Sorgen, am Ende wartet immer eine Regina, die dich rettet 🙂 Aber ich greife vor…
Den Weg vom Bahnhof in Solingen-Ohlig bis runter an die Wupper fand ich leicht, gut, ein zweimal habe ich nachgefragt, sich in der Stadt zu verlaufen macht nämlich keinen Spaß. Außerdem trifft man beim Ansprechen auf 90jährige Opas, die einem erzählen, dass sie noch jeden zweiten Tag 15 km wandern gehen – das lässt mich doch hoffen 🙂 Nach etwa 30 min habe ich dann auch schon die ersten regionalen Wanderwege gefunden und zack ging es ins Grüne! Nach kurzen Episoden zwischen Wiesen, Wald und Mühlen hab ich ihn dann schließlich nach ca. 4 km erreicht, den Fluss. An diesem entlang gelang ich zum Wipperkotten, wo der Erlebnisweg Wupper startet. Der war zwar auf meiner Wanderkarte nicht eingezeichnet, aber hey, ich habe gelernt, mich auf die örtlichen Begebenheiten spontan einzulassen 🙂
Gott sei dank, denn der Weg verlief traumhaft entspannend immer am Fluss entlang oder etwas oberhalb, vorbei an einstigen Schleifsteinmühlen und kleineren Häuseransammlungen. Langsam aber sicher löste sich der Knoten in meinem Bauch, die Beschilderung war top und die gemütliche Höhenmeterlage (kleiner gleich null 😉 ) passte mir für meinen ersten Tag ganz hervorragend.
Gegen 13.15 wollte ich in Unterrüden einkehren, die schwülwarme Hitze machte Lust auf ein kühles Getränk. Doch – ich fühlte mich dort so unwillkommen, dass ich nach etwa 10 Minuten wieder ging. Der Knoten war wieder da und etwas missmutig ging ich weiter, doch am Ende hat ja jede irgendwo vertane Zeit seinen Sinn – sonst hätte ich weder das idyllische Plätzchen an der Wupper zur Rast genutzt, noch das nette Ehepaar mit dem Bulli Maria getroffen und auch nicht den fröhlichen Leo auf seinem Tourenrad. Der durchtrainierte Radler begleitet mich circa 10 minuten lang, gefühlt haben wir Währenddessen alle Touren der letzten Jahre ausgetauscht – immer wieder toll, wie sich Streuner im Geiste (wie Udo Lindenberg vielleicht sagen würde) auf ihren Wegen finden…
Danach war ich natürlich blendender Laune und voller Zuversicht, schön ging es weiter an der Fluss entlang und ab und an durch den Wald. Um halb vier kam ich nach knapp 15 Kilometer in Glüder am Campingplatz an. Die Frage war jetzt, bleib ich hier oder geh ich weiter nach Burg, wo neben einer Jugendherberge auch ein Campingplatz eingezeichnet war – der laut Beisitzerin in Glüder allerdings nicht existiert. Naja, no risk no fun 😉 Irgendein inneres Gefühl sagte mir auf jeden Fall, dass ich da nicht bleiben soll. Auf diese Stimme sollte ich viel öfter hören!
Denn in Burg, wo mir noch eine Dame berichtete, dass es keinen Zeltplatz an der Herberge gäbe, traf ich Regina. Oder eher sie mich! Ich wollte grade den Aufstieg zum Schloss Burg starten als sie mich mit den Worten „Na wo wanderst du denn hin?!“ abfing, ihr zweiter Satz war: „Dich nehm ich jetzt mit nach Haus!“ Das duldete kein Widerspruch, wollt ich aber auch gar nicht.
5 Minuten später war mir klar, dass ich mit Sicherheit a) einen lustigen Abend verbringen werde und b) bei einem ganz herzlichen, offenen Ehepaar gelandet war: Nach Dusche und Beziehen des Gästebetts setzten wir uns in den Garten, neben Regina und Klaus hüpfte der kleine Buddy durch die Gegend, ihr verspielter Hund, kaum 5 minuten später kam eine Freundin der beiden zu Besuch, als Sylvia ging, kamen die Nachbarn Sascha und Gabi auf einen Plausch – eine kunterbunte Hofgemeinschaft, genau mein Wohlfühlbereich! Die Zeit verging wie im Flug, zwischendurch wurde deftige Brotzeit aufgetischt und ich lernte Rotschorle süß kennen (für alle denen Rotwein zu trocken ist, helle Limo hilft 🙂 ), und die Reisen von Regina und Klaus. Es bewahrheitet sich einfach aus neue: Reisende helfen Reisenden gern. 🙂 Und das Lachen gesund ist, die beiden oder eigentlich alle vier sind ganz eigene, ganz tolle Typen (eine kleine Impression: „Essen ist der Sex des Alters“…).
Am Ende bin ich sogar froh, dass ich gestern technische Probleme hatte, so kann ich in diesem Beitrag auch noch die Emotionen einarbeiten, die ich heute morgen nach so nettem Frühstück und herzlichem Abschied mitbekommen habe und mit mir trage. Ich schenke den beiden zum Abschied und als kleines, aber groß gemeintes Dankeschön ein Räucherstäbchen aus Zeder, dass ich aus einem Frankfurter Nepal-Laden habe (laut dem Shop alles handgearbeitet aus Nepal).
Und mach mich auf den Weg, mit so viel Sonne im Herzen! Ich bin so glücklich, wieder unerwartete Begegnungen gemacht zu haben, die meine Reise schon am ersten Tag bereichert hat.
gelaufen: circa 20,6 km
motto des tages: loslaufen, locker lassen, lachen und lernen