Den Rest kann man allerdings fast vergessen – Tschechien als Wanderland oder konkreter, der Kaiserwald (Slavkovský les) und Anfangs Reste des Böhmerwalds überzeugen mich leider nicht.
Sprich: Es geht erstmal weiter auf der Straße entlang, ok, hier ist nicht viel Zivilisation um mich rum, also schon schöne Natur, Ruhe und so, Umstände die ich eigentlich aufsuche und zu schätzen weiß. Aber eben keine extravaganten Highlights, nichts Außergewöhnliches, vor allem nach den letzten zweieinhalb Wochen. Und diese Straßen sind halt nicht grade der Inbegriff eines Wanderwegs.
Nach 5 bis 6 Kilometern komm ich dann zwar in den Wald, doch leider sind die Wege auch nich doller. Langgezogen und breit geht es über staubigen, kiesigen Boden nach oben. Fast schlimmer als der Asphalt, weil man bei jedem Schritt das Gefühl hat, einen halben zurück zu rutschen. Das strengt an. Aber immerhin entgeh ich der Sonne, bin aber auch extra vor halb 8 los.
Nach einer Extrarunde durch ein idyllisches Waldwiesenareal – scheinbar bin ich irgendwo vom E3 abgebogen und befinde mich auf einem weiß-grün-weiß markierten Wanderweg statt weiß-blau-weiß markiert – wird der Europafernwanderweg sogar noch fieser, also steiler und steiniger und gerölliger und das Ende ist nicht zu sehen. Meine sonst sonnige Mentalität leidet darunter, ich merke einfach, dass ich mittlerweile Laufe um anzukommen, nicht um zu Wandern. Und auch ein paar Körperteile sind etwas beleidigt ob der Belastung der letzten 18 Tage.
Das Lustige ist, dass meine Laune sich tatsächlich bessert, als ich irgendwann feststelle, dass ich mich nicht mehr auf meinem Wanderweg befinde. Ich komme aus den überwiegend Fichten raus auf ein Feld und denke: Hm, Zeichen habe ich lang nicht mehr gesehen, der Sonne nach lauf ich auch irgendwie falsch. Kurzer Blick auf die Karte, jap, Richtung Sonne wandern. Also mache ich das, freffe auf eine Straße, die ich auch auf der Karte wiedererkenne – und interpretiere es nochmal falsch. Kehre nach circa 500 Metern um und mache erstmal Pause, als ich an eine Kreuzung komme.
Hier muss ich mich entscheiden: Ich habe definitiv keine Lust mehr, heute viele Kilometer zu machen und morgen auch nochmal ebenso viele vor mir zu haben. Ich habe jetzt schon um die 15 zurückgelegt und müsste mindestens 15 weitere laufen, um nah genug nach Karlsbad zu kommen beziehungsweise zu einer Übernachtungsmoglichkeit. Und wie gesagt, meine Widerstandsfähigkeit hat in den letzten Tagen abgenommen. So ist das, wenn man langsam ans Ziel kommt. Zumindest bei mir.
Also entscheide ich mich nach kohlenhydratreicher Stärkung für einen Weg, über den ich gestern nicht ansatzweise nachgedacht habe: Ich gehe 9 Kilometer (laut Schild) Richtung Kostelní Bříza, wo laut Karte eine Einkehrmöglichkeit existiert (ich habe das erste Mal auf meiner Wanderung eine akute Wasserknappheit) und ich davon ausgehe, dass von dort ein Bus Richtung Sokolov fährt. Das wäre in meiner ungefähren Route Richtung Karlsbad.
Leider sind 9 Kilometer auf Straße in der Sonne nicht schön und nicht einfach. Ok, stimmt nicht, zwei Kilometer führen anfangs entlang einem See, sehr schön. Dafür sind die letzten zwei Kilometer nach einem belanglosen Mittelstück die steilsten an diesem Tag. Bergauf schlepp ich mich in die angekündigte Ortschaft und finde sofort das offene Lokal: Ich kann euch sagen, die tschechische Cola (Kofola) ist tausen Mal besser als der Markenschrott. Die Kellnerin ist so nett und erklärt mir den Busfahrplan – gegenüber fährt tatsächlich ein Bus!
Ich verbringe die Zeit zwischen 14.15 und 15 Uhr mit Haushalt auffüllen, vor allem den flüssigen, und steige dann glücklich in den Bus. Eine halbe Stunde später wechsel ich am Busbahnhof nur kurz das Gefährt: Zufällig kommt keine 10 Minuten später ein Bus nach Loket – laut meiner gastfreundlichen Familie aus Seussen soll das traumhaft schön sein und es ist noch 4 Kilometer näher an Karlsbad. Ja, ich stehe dazu, diese Kilometer nicht gelaufen zu sein. Irgendwann muss ich mit meinen Kräften und meiner Zeit haushalten und auch darauf achten, noch immer Spaß beim Wandern zu haben.
Und so habe ich richtig entschieden: In Loket bin ich wieder frisch und hab meine gute Laune wiedergefunden. Das gelbe Sonnenlicht taucht die Festungsstadt, mitten auf einem Felsen thronend und nur von der Eger , Felsen und Wäldern eingerahmt, in warmes Licht, ich wandel leichtfüßig durch die märchenhafte Stadt und schließlich an der Eger entlang zu einem Campingplatz. Hier entspanne ich am Fluss, lausche den Gitarrenklängen einer Truppe am Imbiss 20 Meter hinter mir und schauen den Kanuten bei ihrem Treiben zu.
Treiben lassen, das mache ich auch und genieße es nun doch wieder, genau hier zu sein und nirgendwo anders.
Worte des Tages: Zweifel, Hader, Frust – am Ende wird doch alles wieder gut 😉
Geschafft: 24-25 km (+ ca 2 km zum Campingplatz an der Eger)