Ein überraschend ereignisreicher Tag, der gar nicht so vielversprechend begann, nämlich grau: Ein Blick aus dem Fenster genügte, es sah nach Regen aus, immer noch. Ich verliere nie wieder ein Wort darüber, dass meine Wandertouren immer von Sonnenschein begleitet würden… Aber In Der Ruhe Liegt Die Kraft-Hanna machte folgendes: Laaaaange und auuuuuusgedehnt frühstücken. Und dabei die Familiengeschichte der Pensionswirtin, ihrer Tochter und des Sohnes kennenlernen sowie die Probleme einer Landpension (Die häufigsten Anfragen potentieller Gäste: 1. Haben Sie WLAN? 2. Wieviel Sterne hat ihr Wellness-Bereich? 3. Welche Kinderanimation gibt es?).

Der Frankenwald, sonst von Nadeln dominiert, aber ab und an finden sich auch Prachtexemplare anderer Art.
Nach halb zehn lauf ich los als ich das Gefühl habe, die dickste Wolke hat sich ausgeregnet. Während ich so vor mich hingelaufen war, hatte ich im Kopf, wie schön ich euch trotz Wolkendecke das Wandern beschreiben könnte: Denn die Wege waren so schön, bis auf die Strecken durch zwei kleinere Ortschaften ging es nur durch den Wald, die Beschilderung perfekt! Auch die, härter werdenden, Steigungen waren gut zu meistern (mehr oder weniger), ich bewegte mich langsam auf Höhen zwischen 400 und 500 m. Doch wenn ich hier noch weiter ins Detail gehen würde, verliert ihr wahrscheinlich die Lust am Lesen, bevor die unerwarteten Glückseligkeiten überhaupt zur Sprache gekommen wären. 😉
Es fing an in Glosberg, wo ich nach ca 11 km gegen Mittag ankam. Es war ziemlich windig, daher wollt ich mich gerne bei einem Kaffee oder so aufwärmen. Jaaaa tja, is nich so einfach in der Gegend. Der einzige Mensch, den ich überhaupt im beschaulichen Wallfahrtsort Glosberg traf, stand an seinem Traktor im Hof. Ich grüß Gott’ete wie in Franken üblich und fragte, ob man denn hier irgendwo ein warmes Getränk bekommen würde. Der Mann grinst und informiert mich, dass er der Wirt der einzigen Wirtschaft hier wäre – und diese nur wochenends auf hätte. Klar. Aber wenn ich möchte, könne ich gerne ins Haus mitkommen und einen Tee haben. Da sag ich doch nich Nein, bei dem netten Angebot!
Und schon stand ich in der Küche, wo Frau, Großmutter und Tochter versammelt waren. Nach anfänglichen Fragezeichen wurde ich an einen Tisch gesetzt und der Tee zubereitet. Doch noch ehe der Tee fertig war, noch ehe ich Ja oder Nein sagen konnte, ja, ich würde fast sagen, noch ehe ich richtig saß, stand vor mir ein dampfender Teller Schweinebraten, Sauerkraut, Karöttchen und Kartoffeln. Auf die Frage: Oder sind Sie Vegetarier?, wurde auch keine richtige Antwort erwartet. Nur auf die Frage, ob ich katholisch sei. Ich durfte trotz eines Neins bleiben, hatte die Gabel aber sowieso schon zum dritten Mal in den Schweinebraten gesteckt, war aber auch lecker!
Schwupsdiewups war ich nach Beendigung des überraschenden Mahls und des warmen Tees schon wieder auf der Piste. Und musste kurz darauf laut lachen: Da fragt man nach ner Gaststätte, den einzigen Menschen, der überhaupt zu sehen ist, und kommt zu nem Schweinebraten. Später soll mir von meiner Begleitung am Donnerstag noch erzählt werden, dass das typisch fränkisch wäre: Lieber einen Schweinebraten zu viel im Haus haben, man weiß ja nie.
Die Strecke danach ist ein Traum! Ich wähle zwar eine der steilsten Steigungen bisher (kürzer als außen rumzulaufen, manchmal hasse ich mich für diese Entscheidungen…), aber wieder im Wald und es folgen abwechslungsreiche Pfade und Landschaften, bei denen auch die Aussicht auf den Frankenwald lockt. Ziel sollte in etwa die Effelter Mühle sein, wo laut meines Frankenwald-Insiders eine Art Jugendcamp einer christlichen Organisation oder Kirche sei. Vielleicht könne ich dort mein Zelt aufstellen oder auf dem Dachboden der Scheune pennen, wenn ich nett fragen würde. Aber es kommt ja immer anders.
Obwohl ich schon dabei bleibe, dorthin zu laufen: Durchs traumhafte Wilhelmstal – am Fluss entlang, durch Wiesen, über schnuckelige bis baufällig aussehende Brücken, schmacht! – gehts bis zur Effelter Mühle. Dort sind auch ganz viele Menschen, vor allem Kinder, aber die erste Dame gibt Auskunft: Sie hätten das Jugendhaus gemietet, von den Betreibern der Mühle wäre keiner mehr da und dort unten im Zeltcamp wäre auch noch eine andere Gruppe. Mh, heißt das jetzt für mich, ich kann hier bleiben, obwohl die Gruppen das Grundstück ja jeweils gemietet haben? Nach 24 Kilometern habe ich keine Lust, weiterzulaufen.
Also runter zu den Holztischgruppen vor dem Zeltlager und sich der Gruppe mal angenähert. Etwas neben mir sitzt ein Mann, der sich später als Gemeindepfarrer von Fürth rausstellen sollte, kaut auf seinem Brot. Ich will ihn dabei erstmal nicht stören und sitze also abwartend daneber. Prompt fragt Rainer, also der Pfarrer, wo ich noch hin will. Joa, ich erklär die Situation, er sagt Moment, geht zu ein paar anderen Männern, kommt wieder und sagt, das Orgateam hätte entschieden, mir entgegen der Freizeitcampregeln die Erlaubnis zu erteilen, mein Zelt auf den Platz neben den Tischgruppen aufzustellen…

Unten links im Bild steht die Effelter Mühle mitten im Tal und mitten im Funkloch, Balsam für die Seele.
Damit war ich mittendrin statt nur dabei, volle Lotte integriert, direkt eingespannt und sofort herzlich aufgenommen in die VATER-KIND-ZELT-FREIZEIT! 🙂 Mein Zelt stand keine fünf Minuten, da wurde ich zum Abendessen geladen. Fragt nicht nach Sonnenschein, es gab eine Riiiiiiiesenmenge an sauleckerem Kaiserschmarrn, zubereitet in gusseisernen Pfannen, mit Apfelmuß natürlich und einer ebenso riesigen Menge an Zucker. Wanderherz, was begehrst du mehr?
Nach drei Portionen – mickrig im Gegensatz zu den Kindern, die ein Wettessen draus machen – werde ich von Julius zum Frisbee spielen animiert. Zack, steh ich mit den Jungs (und vier Mädels) zwischen 6 und 12 Jahren im Kreis und werfe Frisbee oder so einen pfeifenden Ball. Damit hört mein heutiges Entertainment aber noch nicht auf: Wir setzen uns ums Lagerfeuer, wie es sich fürs Zelten gehört, schwärm!, Gitarre und Akkordeon werden ausgepackt, die Liederbücher verteilt – nach anfänglicher Zurückhaltung gröle ich wenig später auch das Klopapier-Lied mit!
Als es langsam dunkler wird, erzählt Rainer eine Geschichte weiter, es geht um die Pilgerväter, die in Amerika bei den Indianern landeten – es ist die friedliche Version, in der die beiden Völker glücklich zusammen leben und voneinander lernten. Am Ende finden sie das Herz des großen Manitus, nicht nur gedanklich als Symbol der Liebe, sondern ich sehe es vor mir als aus Holzteilen zusammengesetztes Puzzel, ein großes buntes Holzherz!
Um zehn rum ist es dunkel genug und wir gehen mit dem Herzen zu einem Bach-Becken oberhalb der Mühle. Das Herz wird auf ein Floß gestellt, jedes Kind und auch ich dürfen ein Windlicht anzünden, das wir in je eine Aussparung im Holz stellen.

Beeindruckende Erfahrung: Danke liebes Vater-Kind-Freizeitteam! Ich hatte eine ebenso faszinierende wie lustige Zeit mit euch.
Und dann schwimmt es, das brennende Herzen, mit dem Feuer des großen Manitu, mit dem Feuer meiner Ahnen wie es mir scheint. Ein einzigartiger Abend, nach dem ich glücklich (wenn auch frierend) einschlafe.
Worte des Tages: Pech und Glück liegen nah beieinander, man muss sie nur für sich definieren.
Geschafft: 24,5 km