Schnee, Regen, Nebel – und ein idyllisches Ende

Ich bin so froh, dass es heut gegen Mittag noch aufgeklart hat! Sonst hätte ich meinen Bericht mit den Worten anfangen müssen: Heute ist ein grauer Tag, Gott sei Dank ist er vorbei…

Aber, so furchtbar er angefangen hat, so im Nachhinein: Ein wirklich schöner Tag, auch wenn ihr es mir vielleicht während dem Lesen nicht sofort glaubt. Aber es kann ja nicht immer alles eitel heiter Sonnenschein sein. So begann der Tag – wie angekündigt – mit Regen und viel Grau. Deshalb trödelten meine Wenigkeit, ein Brite und zwei Biker (morgens um Acht Uhr Konversation auf Englisch über Radsport und Wandern zu betreiben, ich finde, das war meine erste Leistung heute!) am Frühstückstisch auch ganz schön rum.

Das Wetter war so angekündigt und hatte mich, unter anderem, am Sonntag/Montagmorgen die Entscheidung für die Ostvariante treffen lassen. Bei Nebel auf den Belchen? Das wär mir zu schade gewesen. Ok, für die mir bevorstehende östliche Etappe ist es auch nicht toll – vier Gipfel, darunter einer der angeblich schönsten Aussichtsberge, das Herzogenhorn, die normalerweise weite Blicke versprechen. Aja, das Wetter lässt sich nicht ändern und ich kann eh hochzufrieden sein mit den letzten 19 Tagen meiner Wanderschaft.

Also breche ich kurz vor zehn mit Regenjacke, Gamaschen, Mütze und Handschuhen auf. Geht ja gut los – direkt im Schnee, ich bin schließlich auf etwa 1200 Metern Höhe. Über eine Skipiste suche ich mir einen Weg, und zum Teil auch den Westweg. Denn umso höher ich steige (die erste Höhe ist direkt das Herzogenhorn), umso dichter wird nicht nur der Nebel, nein, der Regen verwandelt sich in Schneeregen, wird zwischendurch wieder zu dichtem, eklig nassem Dauerregen und der Wind tut sein Übriges dazu, mir den Start zu versauen.

Dazu geht es steil den Berg hoch, auf Schnee, Eis oder nassem Matschboden – keins davon ist für das Profil meiner Leichtwanderschuhe gemacht, bin ja selbst Schuld. Auch die Gamaschen helfen irgendwann nix mehr, als ich immer wieder bis knapp unterm Knie in den dreckigen Schnee einsinke. So stapfe ich fluchend und Nase tropfend irgendwie durch Bäume, zum Teil auf der Piste oder irgendeinem ansatzweise nach einem Weg aussehenden Pfad in eine Richtung, von der ich ausgehe, das sie richtig ist. Ab und an finde ich tatsächlich ein Schild, das mich bestätigt.

Am meisten nervt eigentlich, dass man bei jedem Schritt weg oder gar zurückrutscht oder eben einsinkt (hat die Hanna von Gestern wegen dem bisschen Schnee und Wind auf dem Feldberg gejammert? Pah, da lacht die Hanna von Heute nur drüber!). Ich bin super dankbar für meinen Wanderstock, der mir Halt gibt! Für einen guten Kilometer und 150 Höhenmeter brauche ich 20 Minuten, die sich anfühlen wie Stunden. Zwischendurch frage ich mich, ob das so cool ist, alleine durch Schnee und Nebel zu stapfen, aber ein kurzer Blick aufs Handy zeigt mir – ich habe Empfang. Sollte was passieren, könnte ich Hilfe rufen.

Aber es passiert nichts, klar. Nach einer halben, dreiviertel Stunde lasse ich den Weg zum Gipfel (1415 m) links liegen (was bitte hätte ich von dort erblicken sollen außer Nebelsuppe?!) und steige ein wenig ab, so dass sich der Nebel ein wenig lichtet und der Schnee nachlässt. Endlich wieder ordentlich laufen! Über den Rücken geht es hinab durch den Wald ins Tal, es regnet noch, aber das kann mich nicht mehr schocken.

Doch es wartet noch der zweite üble Anstieg: 2,5 Kilometer geht es in langgezogenen, breiten Serpentinen den Blößling über 300 Höhenmeter hinauf. Bei Regen ist ja klar, also außen nass, innen nass (geschwitzt), es hat schon schönere Stunden gegeben. Aber hey, das gehört nun mal zu einer Wanderung dazu und so ziehe ich den Aufstieg in einem Rutsch durch – auf etwa 1200 Höhenmetern beginnt wieder Schnee auf dem Boden zu liegen, dafür hört der Regen langsam auf und ein kleiner Zickzack-Weg über Stock und Stein führt die letzten Meter auf den Gipfel hoch.

Oben windet es zwar stark, aber die Sonne kommt langsam durch die grauen Wolken und der Himmel reißt an einigen Stellen auf. Ich blicke zurück auf das Herzogenhorn, das immer noch total im Nebel hängt, ganz kurz blitzt daneben sogar der Feldberg auf. Um 14 Uhr, nach drei Stunden marschieren und 14,5 Kilometernn, mache ich eine wohlverdiente Pause in der windgeschützten Blößling-Hütte auf 1309 Metern Höhe. Ob ihr es glaubt oder nicht – mir geht es gut. 🙂 Vielleicht einfach, weil ich es hinter mir habe. Aber ein bisschen Stolz ist schon auch dabei, und so ein bisschen Abenteuer macht mir eben auch Mordsspaß!

Der Rest des Weges ist nicht mehr lang, es geht nur noch sanft bergab und bergauf. Spätestens gegen drei Uhr auf dem Präger Gletscherkessel (1200 m circa) hat der Regen komplett aufgehört, die Sonne blitzt immer mehr durch die Wolken und es wird etwas wärmer. Der Wind bleibt allerdings frisch und fegt mich mit meinem Rucksack-Ungetüm manchmal fast vom Weg, der durch einen vom Sturm geprägten, lichten Wald auf einem Bergkamm entlang führt. Plötzlich sehe ich keine 20 Meter vor mir ein graues Bock-artiges Tier über meinen Pfad hüpfen! Schnell ist es im Wald verschwunden, aber ich freu mich riesig – mein erstes Wildtier. 🙂

Das eigentliche Etappenende am Weißenbachsattel lasse ich nach fast 18 Kilometern und einem Cappuccino-Stopp hinter mir. Ich will eine Ortschaft weiter, in Todtmoos, ein Zimmer suchen – auch wenn es jetzt schön ist: Meine Schuhe und Füße sind komplett durchnässt und der Himmel sieht so aus, als könne es nochmal regnen. Dazu der kalte Wind, ich habe keine Lust zu riskieren, auf meine letzten Tage noch krank zu werden.

Der Westweg führt mich an Todtmoos-Lehen vorbei, da soll es laut meinem Wanderführer zwei Pensionen geben. Tjaaa, nicht wirklich beziehungsweise ist die eine mittlerweile ein neu restauriertes Wohnhaus, bei der anderen ist alles dunkel und keiner reagiert aufs Klingeln. Naja gut, es ist erst 16 Uhr und ich kann die Regenjacke ausziehen. Kein Problem, ich laufe also ein Stück wieder runter und zurück zum nächsten Ortsteil, Todtmoos-Weg. Da klingel ich auf Geratewohl bei einer Pension Göhner oder Höhner, ich kann das Schriftzeichen nicht lesen. Es öffnet eine sehr betagte Dame, die mir eröffnet, dass sie nur Gäste für länger nimmt. Ich solle es bei einem der anderen Hotels versuchen, in dessen Richtung sie vage weist.

Ich weiß nicht genau, wie fertig ich ausgesehen haben muss. Aber nach kurzem Zögern sagt sie: „Ach, ich hab Mitleid mit Ihnen. Ich nehm Sie für die eine Nacht!“ Und ich bin so so so dankbar, denn Julia Schlageter, die Wirtin, führt mich schmale Holztreppen hinauf in eines der süßesten Zimmer, die ich je gesehen habe! Und ein  kleiner Balkon gehört auch dazu, Dusche und WC auf dem Gang, auch urgemütlich, noch mit so trockener Pulverseife überm Waschbecken!

Ich danke Fortuna wiedermal für diesen Wink, ziehe Schuhe und Socken aus, hänge sie auf den Balkon und setz mich daneben. Mit Blick auf die grünen Berge schreibe ich euch und fühle mich ganz wunderbar, auch wenn die Reise langsam zu Ende geht. Bevor ich jetzt wehmütig werde, geh ich lieber Duschen. Bis morgen!

Erkenntnis des Tages: Mitleid bekommt, wer Mitleid verdient. 🙂

Geschafft: 21,71 km, 4 h 25 min, Aufstieg 750 Hm, Abstieg 900 Hm. Jugendherberge Feldbergpass – gemütlichstes Zimmer ever in Todtmoos-Weg.

 

Einmal anhalten, um festzuhalten: In Schnee und Nebel das Herzogenhorn hinauf...

Einmal anhalten, um festzuhalten: In Schnee und Nebel das Herzogenhorn hinauf…

 

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