Ja, ich habe mich entschieden. Für den Feldberg – ich finde, ich muss auf dem Höchsten gestanden haben, wenn ich schon den Schwarzwald durchquere – aber gegen die Westroute. Ich hätte zwar gerne den Blauen und den Belchen mitgenommen, aber zeitlich passt mir die Ostroute einfach besser. Und die ist mit Sicherheit auch schön!
Die Etappe ab Titisee wird östlich aber als „mit viel Asphalt“ beschrieben, den mag ich bekanntlich nicht und meine Knie schon gar nicht, und eben ohne Feldberg-Gipfel. Also, gut kombiniert, beschließe ich, erst der West-Variante zu folgen und dann vom Feldberg auf die Ostroute des Westwegs abzusteigen. Guter Plan, der stimmt mich fröhlich, genau so wie die Sonne, die auf dem Raureif über der Wiese vor meinem Zelt und auf dem Titisee glitzert. So auf 950 Metern ist es nachts schon noch empfindlich kalt…
Der Morgenspaziergang runter in die Stadt wärmt die Knochen schnell, ich muss mich unten mir Brot, Käs und neuer Nudelsoße eindecken. Wieder hoch, das sind immerhin drei Kilometer hin und zurück und ein nicht zu verachtender Berg!, wird gefrühstückt, das noch feuchte Zelt zusammen gebaut und so geht es für mich sehr spät, so um 11 Uhr rum, los.
Gut, dass ich den westlichen Westweg gewählt habe – die Route ist toll! Kleine Pfade entlang von Wiesen, Waldwege, die sich durch Bäume schlängeln, und überall wirft die Sonne ihre Strahlen durchs Geäst und auf Moos besetzte Steine. Ich treffe ein paar wenige, leicht dem Kurort zuzuordnende Nordic Walker, bin aber sonst wieder allein und genieße das. Ok, wenn sich der Rucksack heute nicht gefühlt wieder schwer anfühlen würde – was so ein bis zwei Kilo ausmachen! Naja, das war beim ersten Einkauf auch so und ging schnell vorbei.
Kurz vor Hinterzarten, einem heilklimatischem Höhenluft-Kurort (ich hoffe, ich habe alle gesundheitlichen Aspekte aufgelistet…), treffe ich auf ein wanderndes Ehepaar, auch so eher im Rentenalter. Wir laufen ein Stück zusammen und siehe da – Gisela, so der Name der Frau, hat in Mörfelden bei Frankfurt gelebt und ist in Sachsenhausen DC, wo ich fast vier Jahre gewohnt habe, zur Schule gegangen. 🙂 Doch das ist nicht das Einzige, was mich tierisch freut.
Gisela war auch schon mit Reinhold MESSNER, und wer mich kennt, weiß, dass mich seine Persönlichkeit fasziniert, im Himalaya! Sie war schon immer eine Wandersfrau, aber mindestens die Alpen mussten es sein (nicht so wie ich, die über läppische Tausender stolpert). Eines Tages sah sie Messner im Fernseher, fand ihn sympathisch und belegte daraufhin Kurse im Klettern und Alpinbergsteigen in seiner damaligen Bergschule. 1977 dann nahm der legendäre Everest-Bezwinger auf einer seiner Expeditionen eine Trekking-Truppe mit, die die Profis zum Teil begleitete. Und Gisela war dabei! Sie erzählt, dass sie ihren 6000er Gipfel nicht erreichen konnte (der Monsun kam früher, „es war eine einzige Schlammschlacht“) und auch Messners Expedition auf den Dhaulagiri l musste wegen des Wetters abgebrochen werden. Aber sie hatten einige tolle Tage im Lager zusammen und der Bergsteiger war ihr auch als Mensch in echt sehr symapthisch („er ist halt ein Typ mit seinen eigenen Kanten“).
Weiter aus dem Nähkästchen plaudern will ich an fieser Stelle nicht ;), nach einer Weile biege ich ab hoch in den Wald und die beiden sympathischen Wandergesellen laufen zurück in ihr Haus in Hinterzarten. Der Weg geht genau so traumhaft weiter, immer wieder wechseln sich Waldpfade mit offenen Wiesen ab, es geht nach oben, aber nur selten steil: Man bewegt sich eigentlich immer so zwischen 1000 und 1200 Höhenmetern.
An einer Kreuzung mach ich meinen ersten“Hopp“ und biege vom Hauptweg auf eine Westweg-Variante ab, die zum Feldsee führt. Der soll einfach irrsinnig schön sein und zeitlich timed das total gut mit einer Mittagspause. Kurz vor dem See habe ich mein erstes Alpen-Feeling: Auf 1150 Metern komme ich aus einem Waldweg hoch über eine kleine Kuppe und blicke auf eine offene Wiese, hinter der am Horizont die Berge blitzen. Die Sonne scheint, aber eine leichte Briese weht – sofort muss ich an die Alpen denken.
Kurz nach zwei gelang ich dann nach fast 11 Kilometern und fast zweieinhalb Stunden Wandern am Feldsee an. Der Karsee ist wirklich schön, kreisrund, um ihn herum ragen die Berge bis zu 400 Meter steil nach oben, gut zu erkennen ist der weiß getüpftelte Seebuck (ein Nebengipfel vor dem Feldberg), auf der Hälfte des Sees liegt trotz Frühlingswetters noch Eis. Tolles Mittagspausenszenario.
Dann geht es einen ziemlich coolen Felsensteig über denSee hoch – anstrengend, vor allem weil viele Stellen mit Altschnee bedeckt sind, aber macht Laune. Die mir ein bisschen vergeht, als ich bei den Feldberg-Liften ankomme. Schön ist was anderes, und ehrlich: Ich bin Wandern im Shirt und hochgekrempelten Hosen, ein paar Vereinzelte fahren tatsächlich Ski! Irgendwie pervers, es ist echt mehr Grün als Weiß, aber ich will mich hier (als Wintersportler) nicht in eine Skitourismus-Debatte verlieren.
Also vorbei an Lift, Aprés Ski Hütten und Hotelkomplex, hoch auf den Gipfel! Tja, das hätt ich mir irgendwie auch sparen können. Ich weiß nicht, ob ich vielleicht doch mehr „am Ende meiner Kräfte“ bin als ich zugeben mag. Aber ich empfinde die letzten Kilo- und Höhenmeter als extrem anstrengend und stelle mir zwischenzeitlich die Frage, warum ich unbedingt da rauf will, wenn es danach eh wieder in die andere Richtung runter geht.
Aber ich bin Sportler, und mein Ehrgeiz ist angefressen: Was ich angefangen habe, führ ich auch zu Ende. Also quäl ich mich den Weg hinauf, irgendwann ist es fast nur noch Schnee, auf dem ich rutsche, einsinke, laufe. Das nervt. Und der Wind erst! Der nervt besonders. Auf dem Seebuck angekommen freu ich mich dann schon über die Aussicht, auch von oben sieht der Feldsee toll aus, und trotz diesigem Himmel sieht man weit. Doch der Feldberg-Gipfel ist nochmal eineinhalb Kilometer, das ist sonst nicht weit, heute frissts mich. Aber kurz vorher aufgeben geht gar nicht.
Um 16.40 Uhr, nach 3 Stunden 33 Minuten und 15,41 Kilometern stehe ich auf dem Höchsten des Schwarzwalds, 1493 Meter hoch! Bewegend? Nein. Schöner als auf dem wenige Minuten vorher erreichten Seebuck? Nein, eigentlich auch nicht. Also, ehrlich, kein Aufstieg, der sich unbedingt lohnt, aber hey! Egal, ich habe so entschieden, war oben und das ist gut so.
Hinab finde ich, einfach so, eine Westweg-Verbindung. Cool, von der wusste ich bis dato nichts. Der folge ich also hinab und komme vom westlichen Westweg über die westliche Westweg-Variante und die Westwege-Verbindung auf den östlichen Westweg. Trotz dieses reibungslosen Wechsels bin ich ziemlich KO, als ich gegen halb sechs unten am Feldbergpass (eine Straße mit ein paar Gasthäusern, Skihütten und sonst nix, bäh) ankomme. Das erste in Hebelhof, was ich finde und offen hat, ist eine Jugendherberge. Ich steig da ab, weil ich einfach nicht mehr will, ob vom Kopf her, den Füßen oder dem Nacken. Das Schönste hier: Ein Ruhe-Raum mit Couch, den ich für mich alleine habe! Ansonsten freue ich mich, morgen wieder ins Land hinein zu laufen…
Motto des Tages: Rauf! Egal wie!
Geschafft: circa 4 h 10 min, etwa 18 km, Aufstieg circa 800 Hm, Abstieg circa 500 Hm. Campingplatz Bühlhof – Jugendherberge Hebelhof am Feldbergpass.
ja, der Gipfel des Belchen ist glaub ich schöner, wenn ich auch noch nicht auf dem F’eldberg war. Allerdings kommen alle anderen mit dem Auto dorthin. Ich hoffe, die „Verzweiflung“ hält nicht länger an, dann wünsche ich doch lieber „Delirium“ mit Musik im Ohr. Es ist unglaublich, wie schnell du vorankommst, und das über Stock und Stein, und großartig sind die Erlebnisse mit den Leuten, die du triffst. Das macht Hoffnung für die Zukunft der Welt…..Dein Papa