Der Beitrag mit den 1000 Überschriften

Während ich den gestrigen Blog für euch verfasse, sitze ich  hier im Kloster Maulbronn, es ist 13 Uhr, die Sonne lässt der Schokoladenüberguss auf meinem Kuchen zerlaufen. Ich lass es ruhig angehen heute, denn

ich muss nur nach Pforzheim, was keine 15 Kilometer sein dürften (ohne Umwege versteht sich). Knapp 8 Kilometer bin ich auf dem Frankenweg (Hauptweg 8) und dem Eppinger Linienweg gelaufen, habe zwischendurch ein verspätetes Frühstück zu mir genommen (kalte Nudeln von gestern mit Öl und Gewürzen :)) und jetzt nehm ich mir die Zeit, euch von gestern zu erzählen: Dem mental schwersten Tag bisher für mich.

Bevor ich davon erzähle, muss ich aber noch von einer schönen Begegnung erzählen: Während ich an meinem Tablet in der Sonne sitze, setzt sich eine fitte, wettergegerbte Dame im Rentenalter zu mir. Wir kommen (leicht) ins Gespräch und wir unterhalten uns lang (so lang, dass mein Akku alle geht und ich euch den fast fertigen Beitrag erst aus Pforzheim zur Verfügung stellen kann). Bevor sie geht, schenkt sie mir eine kleine, Gott sei Dank leichte Figur eines Vogels und sagt: „Damit er mit dir auf deinem (Lebens-) Weg fliegt“. Ich bin schon ein wenig gerührt, laufe noch knapp zehn Kilometer weiter (ein echt traumhafter Wanderweg, der Eppinger Linienweg über coole, schmale Holzpfade) und kurz vor Erzberg holt mich mein Kumpel aus Studienzeiten ein, der Marc, bei dem ich heute übernachte. Nachdem ich jetzt mein Feierabendbier und eine Dusche bekommen habe (und gleich Käsespätzle!), kommt jetzt der gestrige Tag:

Donnerstag, 27. März:

Einer der ersten Titel, der mir um 14 Uhr, nach etwa 18 Kilometern und über 3 Stunden laufen, in den Kopf schießt,  ist: „Bekenntnis, Entschuldigung, Verzweiflung.“ Mein Bekenntnis: Ich bin eine Orientierungs-Niete (ok, keine Überraschung). Meine Entschuldigung: Lieber Odenwaldclub, lieber Heiko, ich nehme die Schuld auf mich. Es liegt wohl doch nur an mir, dass ich ständig Umwege laufe. Verzweiflung: Ganz ehrlich, selbst beim zweiten Mal hingucken wäre ich den gleichen Weg gegangen – und damit wieder in die falsche Richtung.  Also, lieber Main-Strombergweg, du bist nicht gut ausgeschildert.  Ehrlich nicht. Dabei habe ich dich gestern noch gelobt, geglaubt, wir wären Freunde. Nach heute nicht mehr.

Dieser Titel beschreibt also circa 1/2 meines Tages. Nach dem herzlichen Frühstück und der Verabschiedung von Annie und Karl lief ich efrischt drauf los, ärgerte mich auch noch nicht, als ich kurz hinter Tiefenbach von meinem noch Freund, dem Wanderweg, auf einen Radweg wechseln musste (keine Ahnung, wo hier ein Schild gewesen sein soll!) – denn, alle Wege führen nach Rom. In meinem Fall nach Landshausen und Menzingen, keine Ahnung wie, aber fast 9 Kilometer sind schon in meine Sohlen gebrannt, als ich nach einer Stunde 20 in Menzingen das gesuchte Schild wiederfinde. Der Apfel-Pod spielt mir „Wanderlust“ von Björk, ein gutes Zeichen – habe ich geglaubt.

Doch nur kurze Zeit später laufe ich an einer Abzweigung in die falsche Richtung – also zurück.  Es gibt nichts Schlimmeres für die Psyche! Ich treffe ein Ehepaar in einem Auto und – ich schäme mich nicht, das zu sagen – lasse mich von ihnen zur besagten Kreuzung zurückfahren. Nochmal 4 Kilometer mehr, heute nicht. Und hier, ein zweiter Blick und die Meinung des Ehepaars bestätigen mich, ist es wirklich schlecht gekennzeichnet. Ich fühl mich nicht mehr ganz so schlecht, ob der vorangeschrittenen Zeit aber ein wenig innerlich gestresst. Da wiegt der Rucksack immer doppelt so schwer, vor allem weil die hilfsbereiten Autofahrer was von „Knittlingen? Das ist noch ziemlich weit…“ sagten. Daher kann ich den wirklich schönen Waldweg aufwärts nicht Recht genießen.

Ab hier spinnt meine Uhr, die angegeben Kilometer sind also Schätzwerte. Das bemerke ich bei der wirklich nötigen Pause, in der ich besagte Titel-Inspirationen habe. Ich schwanke zwischen „Oh man Hanna, du bist so doof! So eine Niete im Orientieren,  so schlecht, nerv.“ und „Eija, eigentlich hast’s ja schon vorher gewusst. Ankommen wirste trotzdem. “ Nach Brezel und Käse läufts auch schon besser, eine Hundebesitzerin, mit der ich kurz plausche, zeigt mir den richtigen Weg, leider alles Asphalt wie bisher fast der ganze Weg. Auch das schafft mich. Beim nachsten Aufstieg,  hier kommt Titel Nummer 2 ins Spiel, pfeife ich den Berg hoch wie eine Lokomotive,  den Rücken gekrümmt,  damit die Last besser zu tragen ist: „Hanna, das Mammut.“ So fühl ich mich. 🙂

Kurz danach, beim nächsten Aufstieg, kommt Titel 3: „Wie Chuck, Lothar und ein pinkes Getränk den Tag retteten.“ In Kürnbach habe ich mir kurz vor 16 Uhr ein Iso Getränk besorgt, Pink Grapefruit, das dem Körper Energie gibt; auf den ersten Metern bergan spielt mir Chuck Berry „Maybelline“ vor und gibt dem Geist Energie; und dann bekomme ich einen Anruf von Lothar (meiner Cola Light Bekanntschaft von Mittwoch), der sich nach meinem Befinden erkundigt („Und immer uffbasse!“) – das gibt Energie für die ganze Seele.  🙂

Kurz drauf lese ich auf einem Schild: Nur noch circa 4 Kilometer bis Sternenfels,von da aus sind es vielleicht noch mal 3 bis zum Campingplatz in Freudenstein. Oh Freude! Titel Nummer 4: „Und am Ende, ist alles wieder gut!“ (Lied von OK Kid für Unwissende ;)) Ich laufe zwar in Sternenfels nochmals „falsch“ – ich wollte mir natürlich nur das Wahrzeichen oben auf dem Berg anschauen – und nehme auch nicht den direktesten Weg durch den Wald nach Freudenstein, aber hey: Ich MUSS ja auch nicht zu einer bestimmten Zeit irgendwo sein. Wenn jemand stresst, dann ich mich selbst. Also bin ich, als ich um 10 vor 6 auf dem Campingplatz ankomme, schon wieder munter, alle Verzweiflung vom Tag vergessen.

 Das Zelt ist schnell aufgebaut, mein erstes Abendessen auf dem Kocher wird zubereitet: Nudeln mit Sucuk-Wurst, Tomate, Knoblauch und Créme Fraiche-Soße. Ich bin begeistert von Kocher und meinen Kochkünsten 😀 Dank auch hier wieder meinen Spendern Lena und Matthias, die mir die Nahrungsmittel schon letzten Samstag (!) mitgegeben haben. Ich verschlinge zweieinhalb Teller, die Nudeln werden eingetütet, und nach einem Versuch, ins Internet zu kommen, lasse ich es, und krieche in den Schlafsack.

Motto des Tages: And I still haven’t found what I’m looking for (aber in der kubanisch-fröhlichen Version :D)

Geschafft: 27,54 Kilometer und 5 h 7 min (nach der Uhr); ca. 31 Kilometer und 5 h 40 min nach meiner Einschätzung; 26 Kilometer und 7 h nach dem Tourenplaner (HA HA!). Annies und Karls Haus in Tiefenbach – Campingplatz Knittlingen-Freudenstein.

–> Habt ihr noch andere Ideen für eine Überschrift meines verflixten Donnerstags? Ich freu mich über Vorschläge in den Kommentaren 🙂

Ja ist denn schon Ostern?! Ich im Kloster Maulbronn.

Ja ist denn schon Ostern?! Ich im Kloster Maulbronn.

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3 Kommentare

  1. Guten Morgen Hanna, habe gestern Deinen Blogeintrag schon vermisst. Das gehört schon fast zum Frühstück dazu! Trotz Umwege bist Du doch schon super weit gekommen, meinen größten Respekt hast Du sowieso für das Tragen des großen Ungetüms auf dem Rücken. Hey und Du hast sogar einen offenen Campingplatz gefunden! Mach Dich mal nicht so nieder ohne Smartphone und Navi
    traut sich doch heute kaum einer in die „Wildnis“. Go on und schreib schön weiter so……

    1. Liebe Sigrid, danke für die tröstenden und Mut machenden Worte! Ich bin auch, um nicht zu sagen total zufrieden mit meinem Weg 🙂 Und entschuldige bitte die Verzögerung in meinem Blog, ich bin leider trotz aller Freiheit abhängig von Netz und Akku :/ Grüße nach Eberstadt!

  2. „wesche des wesches geh‘ isch wandern“ 🙂 – ich darf eigentlich gar nix schreiben, bin krank, obwohl ich schaffe‘ müsst, aber das wollt ich gestern schon schreiben – ..jetzt wieder ab ins bett.

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